Gabriel-von-Seidl-Gymnasium Bad Tölz | Hindenburgstr. 26 | 83646 Bad Tölz | Tel.: 08041 - 799 488 0 | Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
„Dann geht doch zu den Streitschlichtern!"
Wenn Schülerinnen und Schüler diese Aufforderung erhalten oder selber den Wunsch entwickeln, bedeutet das, dass sie sich in einer der beiden Vormittagspausen auf den Weg ins Streitschlichterzimmer machen. Dort erwarten sie Schülerinnen und Schüler der 9. – 12. Jahrgangsstufe – die Streitschlichter - zu einem Gespräch.
Der Grundgedanke, der hinter dem Konzept der Streitschlichtung an Schulen steht, ist der, dass Peers, also Gleichaltrige, eher in der Lage sind, bei der Lösung eines Konfliktes behilflich zu sein als Erwachsene. Diese haben zwar das gleiche Ziel, allerdings besteht bei ihnen immer das Problem, dass zwischen ihnen und den Streitenden eine Hierarchie besteht.
Streitschlichterinnen bzw. Streitschlichter haben in einer ganzjährigen Ausbildung Verschiedenes gelernt: Beginnend mit Überlegungen, dass ein Konflikt nicht nur vorliegt, wenn zwei handgreiflich werden, sondern eben schon, wenn auch nur eine/r etwas Anderes fühlt oder will als das Gegenüber oder sich ungerecht behandelt fühlt. Des Weiteren stehen Grundlagen der Kommunikationswissenschaften (Schulz von Thun: „Die Vier Seiten einer Nachricht"), Wahrnehmungsübungen (Körperhaltung, Mimik und Gestik beobachten, einordnen und benennen) und unterschiedliche Übungen zur erfolgreichen Gesprächsführung („Aktives Zuhören", „Spiegeln") auf dem Ausbildungsprogramm. Dabei geht es immer wieder darum, dass die Jugendlichen üben, sich selber besser kennenzulernen und vielfältige Worte für Gefühle und Stimmungen zu finden.
Aus dieser Arbeit an sich selber soll es den Jugendlichen nach einer bestandenen Prüfung möglich sein, wachsam und zugewandt andere bei der Lösung ihrer Konflikte zu begleiten. Hier wird erneut deutlich, dass es sich bei Mediation nicht um ein hierarchisches Prinzip der autoritären Streitlösung handelt.
Jedes Schlichtungsgespräch wird von den Streitschlichtern moderiert und durchläuft die „5 Phasen einer Mediation":
1. Phase: Vorstellung der Teilnehmenden; Benennen der Regeln (Gewaltfreiheit; Verschwiegenheit) und des Selbstverständnisses der Schlichter/innen (Nicht sie lösen den Streit, sondern begleiten die Streitenden, damit diese eigenverantwortlich zu einer Lösung kommen können; Neutralität; Verschwiegenheit)
2. Phase: Die Streitenden bestimmen selber, wer zuerst seine Sicht des Konfliktes darstellt. Während der Erzählung der beiden Perspektiven schreiben die Schlichter/innen die Konfliktpunkte für alle gut leserlich auf.
3. Phase: Hier geht es darum, dass die Streitenden zunächst verstehen, welche Absicht hinter ihrem eigenen Verhalten stand. Dazu müssen die Schlichter/innen durch (in der Ausbildung erlerntes) Nachfragen herausfinden, welche Gefühle bei den Streitenden vorhanden waren bzw. vorhanden sind. Diese werden auf Zetteln schriftlich festgehalten. Das Ziel dieser Phase ist erreicht, wenn beide Beteiligten nicht nur sich, sondern auch den „Gegner" in seinen Beweggründen und Verhalten verstehen können.
Damit ist der Weg frei für die
4. Phase: Hier machen die Streitenden selber Vorschläge für eine Lösung. Diese orientieren sich zum einen an den Bedürfnissen der Streitenden, zum anderen daran, was sie selber zu geben bereit sind. Alle Vorschläge werden wieder auf Zetteln gesammelt.
5. Phase: Nun entscheiden sich die Streitenden gemeinsam, welche der Lösungen sie umsetzen werden. Die Schlichter achten in dieser Phase darauf, dass die Lösungen bestimmten Kriterien entsprechen. Sie müssen zeitnah, realistisch, konkret, bedürfnisorientiert und in ihren Konsequenzen durchdacht sein. Auch dürfen keine nicht anwesenden Personen in die Lösung eingeplant sein. Damit soll eine sog. „win-win-Situation" erreicht sein. Beide Konfliktparteien sind in ihrer Sicht gehört worden, fühlen sich verstanden und haben das Gefühl, eine für sie befriedigende Lösung gefunden zu haben statt als Verlierer aus der Sache herauszugehen.
In einem Vertrag halten die Schlichter die zentralen Streitinhalte und die dazugehörigen Lösungen fest. Diesen Vertrag unterschreiben alle Anwesenden. Danach wird er in einem speziellen, verschlossenen Koffer aufbewahrt. Bei einem Nachtreffen etwa 14 Tage später besprechen die an der Schlichtung Beteiligten, ob die Lösung umsetzbar und damit erfolgreich war.
Die Ausbildung zur Streitschlichterin bzw. zum Streitschlichter steht allen Schülern der 8. und 9. Jahrgangsstufe offen. Es wird erwartet, dass man nach erfolgreich absolvierter Ausbildung (mit einem vom Schulleiter unterzeichneten Zertifikat) mindestens ein weiteres Jahr als Streitschlichter aktiv ist.